An der Digitalisierung kommen Patienten und Unternehmen in dem weiten Feld der Medizin nicht mehr vorbei. Als Selbsthilfe-Organisation nehmen wir gerne Einblick in die Entwicklungen. Zum Thema „Digitale Angebote patientenorientiert gestalten“ organisierten vfa (Die forschenden Pharmaunternehmen), BPI (Bundesverband der pharmazeutischen Industrie) und die Fa. Sanofi (Pharmaunternehmen) am 28.09.2018 in Berlin eine gemeinsame Veranstaltung für Patienten-Selbsthilfeorganisationen.
Angelika Relt, unsere 2. stellv. Vorsitzende, hat sich für unser Parkinson-Forum Kreis Steinfurt e. V. auf den Weg nach Berlin gemacht, mitgehört und berichtet von der Veranstaltung:
Neben der Aufklärung und Bereitstellung von Informationen zu pharmazeutischen Produkten wollen die Pharmaunternehmen ihre Orientierung mehr auf den Patienten richten und ihn in den Mittelpunkt stellen. Die Pharmaindustrie strebt einen frühzeitigen, direkten Kontakt und einen kontinuierlichen Austausch mit dem Patienten an. Dabei sollen die Bedürfnisse des Patienten konkreter erfasst werden.
Der Bundesgeschäftsführer der BAG-Selbsthilfe, Dr. Martin Danner, referierte über neue Möglichkeiten, Chancen, Risiken und Gefahren der digitalen Entwicklung im Gesundheitswesen.
Er hob die Bedeutung der Digitalisierung als eine Erweiterung der Kommunikationsmöglichkeiten heraus. Wichtige Voraussetzung für die Einführung einer digitalen Option sei, dass ein Vorteil gegenüber der herkömmlichen Art der Kommunikation vorhanden sein muss, der studienbasiert ist. Durch die Digitalisierung können Entscheidungsräume für Patienten eröffnet und die Position und Eigenverantwortung der Patienten gestärkt werden. Von zentraler Bedeutung ist der Dialog mit dem Patienten. Besonders ging er auf die Aspekte der freiwilligen Teilnahme, des Datenschutzes und der Transparenz ein. „Was passiert mit den Patientendaten?“ / „Wer ist noch im Datenfluss eingebunden?“ Fragen, die zu berücksichtigen sind, um unberechtigten Zugriff auf Patientendaten zu verhindern.
Zudem wies er auf Risiken durch unvollständige Gesundheitsdaten hin, denn die vollständigen Daten zum Gesundheitsbild einer Person werde immer nur die Person selber haben. Weitere Probleme, Hemmnisse und Anforderungen bei der Zusammenarbeit von Patienten und Industrie bei der Entwicklung von digitalen Angeboten, wie die Barrierefreiheit für Blinde, Gleichberechtigung aller Personengruppen, Speicherung von Gesundheitsdaten, Abschaffung von Dateninseln, Entwicklungskosten, Bewertungskriterien, u. a. wurden erläutert.
Die rechtlichen Vorgaben und Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit wurden von Frau Yvonne Martins der Fa. Sanofi und Dr. Holger Diener, Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V. dargestellt.
Digitale Angebote können Internetlösungen und Apps sein, die einen erleichterten Zugang zu Informationen über Krankheiten, Medikamente und Behandlungsoptionen bieten. Im Umgang mit chronischen Erkrankungen, wie Parkinson, MS, Diabetes, RLS, etc. oder Allergien können sie Patienten im Alltag unterstützen z.B. durch Erinnerungen an die Medikamenteneinnahme, Dokumentation und Protokollierung von Gesundheitsdaten, etc.. Die Kommunikation zwischen Ärzten, Apothekern, Therapeuten und Patienten wird erleichtert und die Behandlung kann optimiert werden. Die Lebensqualität des Patienten verbessert sich – im optimalen Fall.
Vorgestellt wurde das Arzneimittelverzeichnis „Rote Liste“, mit den Internetangeboten „Patienteninfo-Service“ und jetzt neu: „Gebrauchsinformation 4.0“ (App, z.B. bei GooglePlay), bei deren Entwicklung verschiedene Patientengruppen beteiligt sind. Spezielle Optionen ermöglichen hier Sehbehinderten und Gehörlosen den Zugang zu den Informationen.
Die im Weiteren präsentierte „Epi Manager App“ hingegen, die die Firma UCB in enger Zusammenarbeit mit ihren Patientenbotschaftern erarbeitet hat, erleichtert Epilepsie-Patienten die Dokumentation und Selbstkontrolle in besonders einfacher Art und Weise. Die Gestaltung ist ansprechend, so simpel wie möglich und mit vielen Bildern gestaltet.
Abbott stellte sein Digitales Beispiel in ganz neuer Technik, die „FGM – kontinuierliche Glukosemessung“ vor. Sie ist eine Applikation für Diabetiker, die ständig Blutzucker misst und ganz auf die Bedürfnisse der Diabetes-Patienten abgestimmt ist. Für die Betroffenen bedeutet sie eine große Entlastung, denn die vielen Einzelmessungen entfallen. Gleichzeitig werden durch die ständige Dokumentation aussagefähigere Daten erfasst und ermöglichen umfangreiche Auswertungen für eine bessere Behandlung, von der besonders Kinder und Pflegebedürftige profitieren.
Ob die vorgestellten Angebote den angestrebten Mehrwert bieten, möge jeder selbst prüfen. Aber klar ist: Um möglichst viele Personen in den digitalen Prozess mit einbeziehen zu können, ist eine gute Akzeptanz der digitalen Angebote wichtig. Neben dem gewonnenen Vorteil für den Patienten ist die Empfehlung und Erläuterung der Anwendung durch den Arzt von großer Bedeutung. So erhöht sich die Bereitschaft zur kontinuierlichen Nutzung deutlich, es werden bessere Ergebnisse erzielt und die Anwendungen werden seltener abgebrochen. Jedoch sind nach wie vor nicht alle Personengruppen digital erreichbar. Alter, Bildungsstand und Krankheiten, wie z.B. Demenz spielen hier eine Rolle.
Die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation werden sich zukünftig erweitern und die Behandlungsabläufe verändern. So ist zukünftig die Nachsorge von stationären Aufenthalten digital, mit neuen Übertragungsverfahren der Telekommunikation, denkbar.
Entscheidend für den Erfolg von Behandlungen ist insbesondere auch der Austausch von Informationen der Ärzte untereinander und klare Vorgaben hinsichtlich der Datenhoheit und des Datenschutzes.
Für die Entwicklung von patientenorientierten digitalen Angeboten ist es wichtig, frühzeitig mit den betroffenen Nutzern in den Dialog zu treten, um ihre Bedürfnisse kennen zu lernen.
Frei nach dem Motto: „Nur wer den Hafen kennt, kann die Segel richtig setzen!“