Unter dem Thema „Telemedizin – ein Beitrag zur Reduzierung räumlicher Disparitäten?“ stand das zweitätige Seminar der Konrad-Adenauer-Stiftung unter der Leitung von Dr. Mechthild Scholl, an dem die beiden Mitglieder des Parkinson-Forum Kreis Steinfurt e.V. Hagen Libeau und Margret Hartwig, teilnahmen. Das Seminar lieferte spannende Einblicke in die Aspekte der Telemedizin. Mit bestem Dank an die Referenten geben wir hier die Inhalte in einen kurzen Überblick wieder.
Telemedizin – Baustein (inter-) kommunaler Konzepte zum gesundheitlichen und pflegerischen Angebot in einer Region
Christine Becker, Salutoconsult aus Bad König
Präsentation Becker Telemedizin (PDF)
Voraussetzung für eine funktionierende Telemedizin ist die Versorgung mit Glasfaser/Breitband und Mobilfunk. Aufgabe der Bürgermeister ist es in erster Linie, Informationen für Heime und Andere zu geben. Sie müssen Gemeinwohl-orientiert arbeiten, nicht für einen bestimmten Arzt oder eine bestimmte Berufsgruppe: „Was muß/kann ich machen, dass ich in meiner Praxis Fortbildungen machen kann?“. Mittels einer App, über die Arzt und Patient kommunizieren, können über Sensoren bei Parkinson-Patienten und auch bei anderweitig Erkrankten Anpassungen vorgenommen werden. Die Referentin wies auf einige Regionen hin: u.a. den Verein „Health Care Bayern e.V.“, der sich die Förderung und die Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung und damit auch des Gesundheitsstandortes Bayern zum Ziel gesetzt hat. In Bayern können bereits im Rettungswagen Daten erfasst und an das nächste Krankenhaus mit freien Kapazitäten übermittelt werden. Die Grafschaft Bentheim hat Voraussetzungen, das DAK-Gesundheitsmodell zu erproben. Die Odenwald-Allianz in Amorbach baut z.Zt. ein Gesundheitszentrum mit Caritas-Sozialstation, einer Veranstaltungshalle für Fortbildungen und Kongresse. Unter dem Begriff „GRAAL“, Gesundheitsregion Altes Amt Löningen, haben sich Gemeinden zusammen geschlossen um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sicher zu stellen und zu verbessern. Die Fortbildung im Bereich Telemedizin reicht derzeit nicht, Schwimmbäder, Kindergärten usw. müssen fit gemacht werden für die Telemedizin. Ein häufiges Hindernis sind W-LAN-Probleme. Sportvereine mit speziell ausgebildeten Mitarbeitern dürfen dieses Angebot machen: Sport für Gesundheit, auf grünem Rezept verordnet, und bezuschusst von Krankenkassen und mit Fördergeldern. Eine Schwierigkeit ist auch häufig, dass die Mediziner die Daten der Nicht-Mediziner (Pflegekräfte, Therapeuten) nicht anerkennen.
Projekt „elVi“, Elektronische Arztvisite – Ein Beitrag zur Verbesserung der medizinischen Versorgung in der Region Westfalen-Lippe
Diane Weber, Stabsbereichsleitung Praxisnetze und kooperative Versorgungsmodelle von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe in Dortmund
Präsentation Weber Telemedizin (PDF)
Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) hat die Aufgabe, die flächendeckende ambulante ärztliche Versorgung sicherzustellen. Bundesweit gibt es 72 Praxisnetze, in denen sich Ärzte zusammengeschlossen haben. Diese Ärzte müssen sich alle fünf Jahre qualifizieren lassen. Auch brauchen sie eine Rechtsform, die mindestens drei Jahre bestehen muss, um eine Förderung zu erhalten. Gefördert wurden in 2015/2016 die EDV-Vernetzung in WL, ein Netzmedikamentenplan, die elektronische Arztvisite im Pflegeheim und Weiteres. Versorgungsziele sind: ein Medikamenten-Check, d.h. die Ärzte sollen sich untereinander über Krankheiten und Medikamente austauschen, die sogenannte Fallbesprechung, und das Ergebnis an die Stabsbereichsleitung schicken. Dadurch können Krankheiten besser behandelt und die Kombi-Wirkung verschiedener Medikamente beachtet werden. Hilfreich hierfür ist es, dass das Fernbehandlungsverbot bei Ärzten und Therapeuten gelockert wurde, Anlässe zur Durchführung der Videosprechstunde wurden gestrichen, somit sind Fall-Konferenzen zwischen Ärzten und Pflegekräften per Videokonferenz möglich. Es kommt ausschließlich zertifizierte Software in Pflegeheimen und bei Ärzten zum Einsatz. Die Televisite muss in den Alltag der Ärzte eingebaut werden. Inzwischen sind für elektronische Visiten Verträge mit allen Krankenkassen abgeschlossen worden. Über eine App von ElVi kann der Kontakt hergestellt werden, allerdings gehört die körperliche Untersuchung dazu, nur die Video-Sprechstunde ist nicht sinnvoll. Eine unabdingbare Voraussetzung ist eine gesicherte Datenverbindung. Im Hinblick auf den Ärztemangel in einigen Regionen und die zunehmende Alterung der Gesellschaft spart der Einsatz der Telemedizin Ressourcen und die Versorgung der Patienten ist gesichert.
Projektwerkstatt Gesundheit 4.0 – Zukunftsweisende Ansätze in der Telemedizin und der Vernetzung in der Gesundheitswirtschaft
Uwe Borchers, Geschäftsführer beim Zentrum für Innovation in der Gesundheitswirtschaft OWL in Bielefeld
Telemedizin soll in Zukunft Standard in der Gesundheitsvorsorge sein. In das Pflegebett von morgen sind Sensoren eingebaut, über die z.B. der Blutdruck oder auch andere Werte eines Patienten in regelmäßigen Abständen ermittelt und an den Arzt gesendet werden. Möglichkeiten in der Orthopädie sind: Ein Kniegelenk kann mit einem Motor ausgestattet werden zur Messung der Bewegungen. In Bad Wünnenberg z.B. werden Armgelenke technisch unterstützt, die Heilung/Gesundung geht dadurch viel schneller vonstatten. Handwerk digital – mit einem 3-D-Drucker können Orthesen, wie z.B. Füsse, hergestellt werden, diese sind dann passgenau für den Patienten. Über die App „mobile health“ werden schielende Kinder vor einen Monitor gesetzt und spielen. Dabei wird das schielende Auge durch ein schwarz-weiß-Muster trainiert. Über den Digitalen Dienstleistungs-Mix wurde z.B. eine aus dem Krankenhaus entlassene Dame ein Jahr lang begleitet, d.h. sie wurde durch „Kümmerer“ unterstützt. Das ist derzeit ein Experimentier-Raum, finanziert mit Zuschüssen des Bundes und Eigenmitteln der Firmen. Durch diese Digitalen Alltagsbegleiter werden Kosten eingespart weil keine Wiedereinweisung folgt. Wir alle müssen uns überlegen, wie wir uns möglichst gesund erhalten können – durch Bewegung, Ernährung und Digitalisierung. Weil die Orte unterschiedlich mit Ärzten ausgestattet sind ist eine Planung schwierig für die Kommunen, wir müssen kleinräumig denken.
Der Telearzt: Ein telemedizinischer Beitrag zur Minderung von Versorgungsdisparitäten
Dr. Thomas Zenk, CEO der Firma vitaphone in Mannheim.
Präsentation Zenk Telemedizin (PDF)
Durch Vitaphone-Telemedizin wird eine bessere Versorgung erlangt. Voraussetzung: Machinen/Computer müssen sich verstehen um Schreiben von verschiedenen Ärzten/Krankenhäusern nach Begriffen suchen zu können. Der Arzt muss nicht selber zum Patienten fahren, er schickt seine Mitarbeiterin hin mit einen „Telearzt-Rucksack“, in dem alles Nötige vom Blutdruck- und Zucker-Messgerät, ein von vitaphone entwickeltes 3-Kanal-eKG, eine Telemedizinische Personenwaage und Weiteres bis zum Tablet-PC enthalten ist. Die Mitarbeiterin bekommt über eine App auf dem Tablet einen Fragebogen zum Gesundheitszustand des Patienten und füllt ihn aus, schickt diesen zum Arzt, danach bekommt sie Anweisungen was zu tun ist. Für diese Art der medizinischen Versorgung sind immer wieder Fortbildungen notwendig. Auf das Tablet schalten sich das Bundesamt für Sicherheit und Infotechnik sowie der Datenschutz auf. Der TÜV kontrolliert vitaphone unangemeldet wegen der Zertifizierung. Wenn kein Verantwortlicher da ist muss das vorher beim TÜV angekündigt werden. Die e-Gesundheitskarte hat bei weitem nicht die benötigte Speicherkapazität für alle Daten der Krankenakte. Implementierte Versorgungsschwerpunkte sind die kostenintensivsten Erkrankungen. Telemedizin kann Versorger entlasten, Lebensqualität steigern und Kosten senken, wenn sie denn eingesetzt wird.
Sektorenübergreifende Versorgung älterer Menschen – das Projekt „OBERBERG_Fairsorgt“
Ralf Schmallenbach, Dezernent für Gesundheit, Soziales, Jugend und Schule beim Oberbergischen Kreis.
Präsentation Schmallenbach Telemedizin (PDF)
Im ländlichen Raum besteht eine medizinische und pflegerische Unterversorgung, sowie eine Fehlversorgung durch strikte Sektorengrenzen und eine Überversorgung durch nicht indizierte Rettungseinsätze, besonders am Wochenende. Das Gesundheitsmanagement des Oberbergischen Kreises ist eine Initiative gegen den (Haus-) Ärztemangel, es umfasst die Notfallversorgung, die Akademie Gesundheitswirtschaft und Senioren (AGwiS), das Klinikum Oberberg, den öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), die Senioren- und Pflegeberatung, die Frühförderung und die Telemedizin. Es geht um eine Sektorenübergreifende Versorgung älterer und pflegebedürftiger Menschen in dem Projekt. Der Rettungsdienst ist komplett in kommunaler Hand. Der Oberbergische Kreis ist Modell-Region zum Ärztemangel. Ein Arztnachfolger kann bis 170.000 € erhalten, finanziert vom Kreis, der Kassenärztlichen Vereinigung und der AOK. Der Oberbergische Kreis ist bisher die einzige Gebietskörperschaft, die als Konsortialführer einen Innofonds-Antrag gestellt hat. Mit der Zusage ist sie die einzige Gebietskörperschaft bundesweit, die aus dieser Förderkulisse Fördergelder erhält. Der Innovations-Fond wird finanziert durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) im Rahmen des GKV-Versorgungsstärkungsgesetz.
Jeder Patient hat ein Recht darauf, dass er seine Gesundheitsdaten einsehen kann, deshalb sollen die Patientendaten auf Knopfdruck auch den ihnen, bzw. ihren Bevollmächtigten zur Verfügung stehen. Wünschenswert ist ein intelligentes Notruf-System zur Stärkung der informellen Pflege. Die Bürgermeister der dazugehörenden Orten werden regelmäßig informiert. Ziel ist, dass auch andere Regionen ein „Vernetzungszentrum“ gründen sollen.
(Zusammenfassung: Margret Hartwig, Hagen Libeau)